Gefühle verstehen

Das Umfeld, in das wir hineingeboren werden, bestimmt unsere emotionale Entwicklung. Finden wir ein Umfeld vor, das im Spüren verankert ist, lernen wir, unsere Gefühle verstehen. Stoßen wir auf ein emotional blockiertes Umfeld, in der Gefühle keinen sonderlichen Stellenwert haben, kann sich unser Empfinden nicht vollständig entfalten. Die Möglichkeit des emotionalen Lernens bleibt uns aber lebenslang erhalten. Daher ist es nie zu spät sich den eigenen Empfindungen zuzuwenden und Gefühle verstehen zu lernen.

Vater, Baby, Porträt, Kleinkind

Spüren, was ist

Alles beginnt mit der Wahrnehmung. Wenn wir gelernt haben, unsere eigenen Gefühle zu verstehen, haben wir die Möglichkeit, darauf zu reagieren. Nehmen wir wahr, dass wir verletzt sind, können wir auch darauf reagieren und uns Trost und Unterstützung holen. Nehmen wir hingegen gar nicht wahr, dass wir verletzt sind und werden nicht auf unseren Schmerz reagieren. Dann wird die Verletzung nicht gelöst und bleibt bestehen.

Bindungsentwicklung

Die Entwicklung einer sicheren Bindung zwischen Eltern und Kind ist eine großartige Grundlage für eine gesunde körperliche, psychische und soziale Entwicklung eines Kindes. Allen voraus geht dabei das sichere Bindungsangebot der Eltern. Prof. Dr. med. Karl Heinz Brisch forschte auf diesem Gebiet. Mehrere Bücher wurden zu diesem Thema vorgestellt.

Emotionale Wahrnehmungsschwäche

Wurden unsere Gefühle und Empfindungen vom Umfeld nicht ausreichend wahrgenommen, nicht aufgegriffen oder angemessen darauf reagiert, lernen wir nicht, unsere Empfindungen differenziert wahrzunehmen. Das führt dazu, dass wir entweder:
  • generelle Schwierigkeiten haben, unsere Empfindungen wahrzunehmen – wir spüren uns kaum und gehen davon, dass wir nicht sonderlich emotional sind
  • oder partielle Probleme mit der emotionalen Wahrnehmung haben – wir nehmen zwar Gefühle wahr, haben aber nicht gelernt das komplette Gefühlsspektrum wahrzunehmen. Können wir beispielsweise keine Aggression in uns erkennen, fühlen wir uns auch nie aggressiv.
Niemand wird empfindungslos geboren. Es kann aber sein, dass wir keine emotional differenzierte Wahrnehmung erwerben konnten oder gelernt haben, die eigenen Gefühle zu ignorieren und uns nicht zu spüren. Bei einigen psychischen Störungen erleben wir ebenfalls eine emotionale Einengung, in der wir nicht mehr viel spüren oder nur noch eine bestimmte Gefühlstönung empfinden. Gern unterstütze ich Sie in diesem Prozess.

Emotionale Bewertung

Nicht immer liegt die Ursache der emotionalen Unwissenheit in einer fehlenden emotionalen Wahrnehmung. Gefühle werden nicht neutral betrachtet, sie werden bewertet – von der Gesellschaft, der Familie, von Freunden und schlussendlich auch von uns selbst. Die Bewertung des Gefühls bestimmt, ob und wie wir auf ein Gefühl reagieren.
  • Wenn ein Vater seinem Sohn vorlebt oder erklärt, dass Männer nicht weinen, lernt dieser, dass Traurigkeit ein Zeichen von Unmännlichkeit ist. Er wird versuchen nicht traurig zu sein.
  • Wenn eine Mutter ihrer Tochter vorlebt oder laufend sagt, dass Mädchen nicht aggressiv sind, dann lernt dieses, dass ihre Aggression böse ist und es keine aggressiven Empfindungen haben soll.

Der Wunsch nach positiven Empfindungen

Üblicherweise bevorzugen wir „positive“ Empfindungen, wollen fröhlich, glücklich, begeisterungsfähig, verliebt usw. sein. Doch die Gefühlswelt ist nicht einseitig, sie ist vielfältig. Es gibt nicht nur angenehme Empfindungen, sondern auch welche, die wir weniger mögen und die wir wahrnehmen lernen müssen. Empfindungen, die wir gar nicht haben oder spüren möchten, Gefühle, mit denen wir nur schwer zurechtkommen, mit denen wir nicht umgehen können. Während positive Empfindungen erwünscht und gesucht werden, rufen Gefühle mit einer negativen Zuschreibung häufig einen Leidensdruck hervor. Daher versuchen wir „negativ bewertete Gefühle“ zu vermeiden oder, wenn sie auftreten, möglichst rasch zu unterdrücken oder zu lösen. Dieses Verhalten lernen wir bereits sehr früh. Ein Kind, das eine Schokolade bekommt, weil es weint, lernt sehr früh, seine Traurigkeit mit Süßem zu unterdrücken.

Emotionale Abwehr / Unterdrückung

Haben wir gelernt, dass ein Gefühl schlecht ist, lehnen wir nicht nur dieses Gefühl ab, sondern wehren es auch ab. Wir wollen dieses Gefühl nicht haben, es nicht spüren! In diesem Fall wäre zwar die Fähigkeit gegeben, das Gefühl wahrzunehmen, doch wir erlauben uns nicht, das Gefühl zu haben. Hinter einer emotionalen Abwehr stehen meist erworbene Glaubensmuster, wie:

  • „Wenn ich traurig bin, wenn es mir nicht gut geht, belaste ich andere!“
  • „Zeige nie, dass du verletzt bist, denn andere nutzen das nur aus. Dann werde ich noch mehr verletzt oder gebe dem anderen auch noch die Genugtuung, mich verletzt zu haben!“
  • „Wenn ich traurig oder bedürftig bin, jemanden brauche, mich hilflos, ohnmächtig, ausgeliefert fühle, dann bin ich schwach!“  – gewisse Gefühle und Empfindungen gelten als Eingeständnis der eigenen Schwäche und werden daher gemieden.
  • „Wenn ich Aggression, Neid, Eifersucht oder Schadenfreude verspüre, bin ich böse.“ –  manche Empfindungen darf man nicht haben, weil man sich sonst als schlechter Mensch fühlt.
  • „Ich habe keinen Grund traurig zu sein, es ist doch alles gut!“

In der emotionalen Abwehr erlauben wir uns nicht, das zu spüren, was wir fühlen.

Unterdrückte Gefühle lösen sich nicht auf

Unterdrückte Gefühle lösen sich nicht einfach auf, sie verweilen im psychischen System. Es ist, als würden wir abgewehrte Gefühle in unserem Keller lagern. Mit der Zeit lernen wir dadurch nicht nur das Gefühl nicht mehr zu spüren, sondern auch, es nicht mehr wahrzunehmen.
Unterdrückt jemand über einen längeren Zeitraum seine Wut, nimmt er diese irgendwann nicht mehr wahr. Das bedeutet aber nicht, dass sich seine unterdrückte Wut aufgelöst hätte. Das Unterdrückte wird lediglich vom Betroffenen selbst nicht mehr wahrgenommen. Das Umfeld jedoch, welches die Wut nicht unterdrückt, kann diese noch wahrnehmen und reagiert darauf. Häufig lösen Menschen, die ihre Wut unterdrückt haben, im Gegenüber ziemliche Aggressionen aus.
Gefühle wie Wut, Kränkung, Schmerz, Trauer oder Schuld lösen sich nicht auf, nur weil wir sie verdammen und ignorieren!

Das emotionale Ausagieren

Unterdrücken wir Gefühle, besteht die Gefahr, dass sich diese Gefühle in uns aufstauen. Die unterdrückte Wut, der unterdrückte Schmerz, die unterdrückte Angst oder Trauer häufen sich an. Das unterdrückte Gefühl gleicht dem Wasserpegel eines Staudamms. Wird zu viel Gefühl unterdrückt, steigt der Wasserpegel an, bis sich das gestaute Gefühl nicht mehr unterdrücken lässt und den Empfindungsraum mit voller Intensität flutet.

Emotionaler Ausdruck

Gefühle können unterdrückt oder ausagiert werden. Im besten Fall werden Gefühle jedoch ausgedrückt.
Es gibt unterschiedlichen Formen des emotionalen Ausdrucks:

  • über den Körper, die Mimik, Gestik, Haltung oder Stimmlage – häufig geht mit dem Gefühlsausdruck eine Veränderung von Körperspannung und Atmung einher
  • ausgedrückt über die Sprache – wir reden über unsere Gefühle, lassen andere an unseren Gefühlen teilhaben
  • auch Handlungen, kreative wie Schreiben, Zeichnen, Tanzen, oder über körperliche Aktionen wie Sport, können wir ebenfalls Gefühle ausdrücken

Der emotionale Ausdruck entlastet die Psyche. Können wir unsere Gefühle zeigen und darüber reden, dann wird es für andere einfacher uns wahrzunehmen und zu verstehen. Gelingt der emotionale Austausch, entsteht emotionale Nähe.

Unsere emotionale Reaktion

So wie wir lernen, Gefühle verstehen und wahrzunehmen und zu bewerten, lernen wir auch eine emotionale Reaktion. Nicht immer ist die erworbene emotionale Reaktion jedoch günstig für uns.
Nehmen wir das Beispiel der Überforderung. Sind wir überfordert, brauchen wir Unterstützung. Eine gute Strategie, um eine Unterstützung zu erreichen, wäre es, unseren Gegenüber zu informieren, dass wir überfordert sind, und um Unterstützung zu bitten. Schaffen wir es, klar zu artikulieren, was wir brauchen, ist die Wahrscheinlichkeit größer, dass wir es bekommen. Haben wir jedoch nie gelernt, unsere Bedürftigkeit zu zeigen und klar zu sagen, was wir brauchen, wählen wir andere emotionale Strategien. Dann machen wir dem anderen beispielsweise Vorwürfe, klagen an, beschuldigen den anderen, nicht genug zu tun oder nie zu helfen. Mit dieser Reaktion erfahren wir wahrscheinlich wenig Unterstützung.
Nehmen wir als letztes Beispiel die Angst. Haben wir Angst, brauchen wir Sicherheit und Beruhigung. Auch hier gilt: gelingt es auf andere zuzugehen, zu zeigen, dass wir Angst haben, und um eine Unterstützung zu bitten, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass andere für uns da sind und uns helfen. Neigen wir hingegen dazu, niemanden zu sagen, dass wir Angst haben, bekommen wir auch keine Reaktion. Noch schlimmer wird es, wen wir die Angst in uns nicht beruhigen, sondern uns vorstellen, was alles Schlimmes passieren könnte. Dann verstärken wir die Angst. Es ist gut, wenn wir darauf achten, was wir fühlen,  und uns auch bewusst werden, wie wir auf unsere Gefühle reagieren.

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Ihre Heilpraktikerin für Psychotherapie und Kunsttherapeutin Ute Steinke-Spangenberg aus Stuttgart Degerloch